28.06.2023 – PFLEGEUNTERSTÜTZUNGS- UND -ENTLASTUNGGESETZ - Ratgeber für Arbeitgeber

Der Bundestag hat am 19.06.2023 das Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege – Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz – PUEG beschlossen.

Das Gesetz tritt (mit Ausnahme einiger weniger Regelungen) am 01.07.2023 in Kraft.

Das PUEG ist ein Änderungsgesetz. Mit diesem Gesetz wird im Wesentlichen das Elfte Buch
Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – SGB XI geändert.

Zweck und Zielsetzung des PUEG sind Leistungsverbesserungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen aus der sozialen Pflegeversicherung. Um die Pflegebedürftigen bei steigenden Kosten zu entlasten und ihre Angehörigen zu unterstützen, werden die Leistungsbeträge in mehreren Schritten angehoben. Ein Schwerpunkt liegt hier insbesondere auf der ambulanten Pflege.

Durch das PUEG wird auch § 55 SGB XI geändert, in dem die Beitragssätze für die Pflegeversicherung geregelt sind.

Die unmittelbare Relevanz des PUEG für alle Arbeitgeber besteht demnach darin, dass die Regelungen zur Höhe und Berechnung der prozentualen Sozialversicherungsbeiträge zur Pflegeversicherung geändert werden.

I. Neuregelungen zur Höhe der Pflegeversicherungsbeiträge

Zur Absicherung bestehender Leistungsansprüche gegenüber der sozialen Pflegeversicherung und der im Rahmen dieser Reform vorgesehenen Leistungsanpassungen wird der reguläre Beitragssatz zur Pflegeversicherung zum 01.07.2023 um 0,35 Prozentpunkte angehoben. Aufgrund dieser Maßnahme prognostiziert die Bundesregierung Mehreinnahmen zugunsten der Pflegeversicherung in Höhe von € 6,6 Mrd. pro Jahr.

Ebenfalls zum 01.07.2023 wird der Beitragssatz nach der Kinderzahl differenziert. Dies dient der Umsetzung eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 07.04.2022. Eltern zahlen künftig generell 0,6 Beitragspunkte weniger als Kinderlose.

Für kinderlose sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gilt ein Beitragssatz von 4%.

Für Beschäftigte mit nur einem Kind gilt demgegenüber ein Beitragssatz von 3,4%.

Für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit mehreren Kindern unter 25 Jahren reduziert sich der der Beitragssatz darüber hinaus ab dem zweiten bis zum fünften Kind um einen Abschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten je Kind.

Durch die beschriebene Differenzierung soll der wirtschaftliche Aufwand der Kindererziehung berücksichtigt werden, der in der Zeit bis zum 25. Lebensjahr eines Kindes typischerweise anfällt.

Nach der jeweiligen Erziehungsphase entfällt der Abschlag wieder. Nach der Zeit, in der der wirtschaftliche Aufwand der Kindererziehung typischerweise anfällt, ist eine weitere Differenzierung zwischen Mitgliedern mit unterschiedlicher Kinderzahl nicht mehr vorgesehen.

Sofern nicht mindestens zwei Kinder eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten jünger als 25 Jahre sind, gilt der reguläre Beitragssatz in Höhe von 3,4%.

Es gelten demnach ab dem 01.07.2023 folgende Beitragssätze für die Pflegeversicherung:

Beschäftigte ohne Kinder 

= 4,00 % (Arbeitnehmer-Anteil: 2,3 %)

Beschäftigte mit 1 Kind

= 3,40 % (lebenslang) (AN-Anteil: 1,7 %)

Beschäftigte mit 2 Kindern

= 3,15 % (Arbeitnehmer-Anteil: 1,45 %)

Beschäftigte mit 3 Kindern

= 2,90 % (Arbeitnehmer-Anteil: 1,2 %)

Beschäftigte mit 4 Kindern

= 2,65 % (Arbeitnehmer-Anteil 0,95 %)

Beschäftigte mit 5 und mehr Kindern

= 2,40 % (Arbeitnehmer-Anteil 0,7 %)


II. Umsetzung der Neuregelung

Für die Berücksichtigung der Abschläge bei den Pflegeversicherungsbeiträgen muss die Anzahl der Kinder unter 25 Jahren gegenüber der beitragsabführenden Stelle – im Falle der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten also gegenüber dem Arbeitgeber – nachgewiesen werden.

Die Umsetzung der – je nach Kinderzahl – unterschiedlichen Beitragssätze ist für den Arbeitgeber erneut mit weiterem Aufwand verbunden.

Diesem Umstand meinte der Gesetzgeber Rechnung zu tragen, indem zwei unterschiedliche Übergangsregelungen geschaffen wurden:

  • Für den Zeitraum vom 01.07.2023 bis 30.06.2025 gilt der Nachweis hinsichtlich der Kinder unter 25 Jahren auch dann als erbracht, wenn der sozialversicherungspflichtig Beschäftigte auf Anforderung des Arbeitgebers die erforderlichen Angaben zu den berücksichtigungsfähigen Kindern nur mitteilt. Auf die Vorlage und Prüfung konkreter Nachweise kann in diesem Fall verzichtet werden. Spätestens nach dem Übergangszeitraum müssen die Arbeitgeber die angegebenen Kinder jedoch überprüfen.
  • Ist es den Arbeitgebern unmöglich, die Abschläge direkt ab 01.07.2023 zu berücksichtigen, so sind sie so bald wie möglich, spätestens bis zum 30.06.2025 zu erstatten. Der Erstattungsbetrag ist zu verzinsen (so die gesetzliche Regelung).

Es ist offensichtlich, dass die Inanspruchnahme insbesondere der zweiten Übergangsregelung möglichst vermieden werden sollte, da die Erstattung mit immensem Abrechnungsaufwand verbunden sein dürfte und zudem vom Gesetzgeber völlig offen gelassen wurde, in welcher Art die benannte Verzinsung erfolgen soll.

Es ist für die Arbeitgeber auch davon abzuraten, sich zunächst ausschließlich auf die Angaben der Beschäftigten zu verlassen und auf den Nachweis der Elterneigenschaft bezüglich der berücksichtigungsfähigen Kinder zu verzichten, soweit sich dies vermeiden lässt.

Wir raten dazu, dass die Beschäftigten – zusammen mit einer kurzen Information zur neuen Rechtslage – aufgefordert werden, Angaben zu ihren berücksichtigungsfähigen Kindern zu machen und zu diesen Angaben einen geeigneten Nachweis zu erbringen.

Nach unserer Empfehlung erfolgt diese Information in Textform, also – je nach der im Unternehmen üblichen Kommunikation – per E-Mail oder mit einem Schreiben, welches übergeben oder per Post versandt wird.

Da nach der Übermittlung der Daten und Nachweise bezüglich der Kinder die Verarbeitung weiterer personenbezogener Daten durch den Arbeitgeber erfolgt, empfehlen wir eine entsprechende Information nach der DS-GVO mit der Aufforderung zu verbinden. Die Arbeitgeber sind nach §§ 28a ff SGB IV i.V.m. § 26 BDSG zur diesbezüglichen Datenspeicherung und -verarbeitung berechtigt, gleichwohl ist diesbezüglich grundsätzlich eine entsprechende Information geboten.

III. Ausblick und Zusammenfassung

Nach dem Plan der Bundesregierung soll bis zum 31.03.2025 ein digitales Verfahren zur Erhebung und zum Nachweis der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entwickelt werden.

Mit diesem digitalen Verfahren sollen Arbeitgebern die Daten zu den berücksichtigungsfähigen Kindern bis spätestens zu diesem Zeitpunkt in digitaler Form zur Verfügung gestellt werden.

Nach der Planung der Bundesregierung verbleiben bis zum Ende des Übergangszeitraums am 30.06.2025 nach dem spätesten Einführungszeitpunkt für das digitale Verfahren somit noch drei Monate, um die Abschläge rückwirkend zum 01.07.2023 zuzüglich Zinsen zu erstatten.

Es gibt demnach für den Zeitraum vom 01.07.2023 bis 30.06.2025 für Arbeitgeber rein rechtlich drei Möglichkeiten:

  1. sich die Nachweise vorlegen lassen und diese prüfen,
  2. sich die Angaben zu den Kindern ohne weitere Prüfung mitteilen lassen,
  3. die Einführung des digitalen Nachweisverfahrens abwarten.

Aus den oben genannten Gründen raten wir dazu, die Möglichkeit 1. in den Unternehmen umzusetzen, auch wenn dies kurzfristig mit erheblichem Aufwand verbunden ist.

Die Möglichkeit 2. sollte nur in Ausnahmefällen und nur für einen kurzen Zeitraum (ggf. wenige Abrechnungsmonate) in Anspruch genommen werden, wenn ein Nachweis kurzfristig nicht erbracht werden kann.

Von der Möglichkeit 3. sollte nach unserem Rat abgesehen werden, da der nachträgliche Abrechnungsaufwand immens sein dürfte und völlig unabsehbar ist, wie das vom Gesetzgeber benannte Verzinsungsverfahren ablaufen soll.

Für weitere Einzelfragen steht Ihnen das Anwaltsteam des VSW selbstverständlich gerne zur Verfügung.

 

 

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