Am 02.06.2023 wurde das „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ - Hinweisgeberschutzgesetz – verkündet und damit die europäische „Whistleblower-Richtlinie“ in deutsches Recht umgesetzt.
Die gesetzlich geregelte Zielsetzung:
Die geregelte Zielsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes ist der Schutz von Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese melden oder offenlegen.
Was sich aus der Zielsetzung nicht unmittelbar ergibt:
Das Hinweisgeberschutzgesetz regelt für Unternehmen bestimmte Verpflichtungen – so u.a. die Einrichtung interner Meldestellen –, deren Nichterfüllung eine Ordnungswidrigkeit darstellt, die mit einem Bußgeld bis zu € 50.000,-- geahndet werden kann.
I. Unternehmensbezogener Geltungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes
Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) regelt Verpflichtungen für Unternehmen, die in der Regel mindestens 50 Beschäftigte haben.
Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten betrifft das Hinweisgeberschutzgesetz nicht – für sie ergeben sich keine Verpflichtungen aus dem Gesetz.
Als Beschäftigte zählen dabei alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten.
Es ist davon auszugehen, dass die Beschäftigten in diesem Sinne nach „Köpfen“ zu zählen sind, so dass das Volumen der vertraglich geschuldeten Wochenstundenzahl unerheblich ist und daher u.a. auch geringfügig Beschäftigte und Abrufarbeitskräfte mitzuzählen sind.
Für Unternehmen im Finanzdienstleistungsbereich gelten unabhängig von der Zahl der Beschäftigten Verpflichtungen aus dem Hinweisgeberschutzgesetz (§ 12 Abs. 3 HinSchG).
II. Verstöße im Sinne des Hinweisgeberschutzgesetzes
Das Hinweisgeberschutzgesetz enthält viele Verfahrensregelungen, die zukünftig sicherstellen sollen, dass Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben, diese Verstöße bestimmten neu einzurichtenden Meldestellen melden können.
Verstöße in diesem Sinne sind Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen einer beruflichen, unternehmerischen oder dienstlichen Tätigkeit, die gegen Rechtsvorschriften verstoßen.
Einige unterschiedliche Beispiele aus der sehr langen Liste in § 2 HinSchG sind: Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz, Verstöße gegen Vorgaben zum Umweltschutz, Verstöße gegen Vorgaben zum Datenschutz, Verstöße gegen Regelungen der Verbraucherrechte, Verstöße gegen Regelungen zur Sicherheit im Straßenverkehr oder Luftverkehr, sowie alle Verstöße, die strafrechtlich relevant sind (Betrug, Diebstahl, Unterschlagung, Korruption, Beleidigung, sexuelle Belästigung, usw.).
III. Wesentliche Verpflichtungen für die Unternehmen in der Praxis
1.) Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle
Gem. § 12 HinSchG haben die Unternehmen dafür Sorge zu tragen, dass bei ihnen mindestens eine Stelle für interne Meldungen eingerichtet ist und betrieben wird, an die sich die Beschäftigten wenden können (interne Meldestelle).
Eine solche interne Meldestelle kann eingerichtet werden, indem entweder
- eine oder mehrere im Unternehmen beschäftigte Personen oder
- ein externer Dritter
mit den Aufgaben einer internen Meldestelle betraut wird.
Die wörtliche Widersprüchlichkeit, dass das HinwSchG die Möglichkeit der Einrichtung einer internen Meldestelle durch Beauftragung eines externen Dritten ausdrücklich vorsieht, kann und muss ignoriert werden.
Es gibt also zwei alternative Möglichkeiten, um die Verpflichtung zur Einrichtung einer internen Meldestelle zu erfüllen:
- Eine oder mehrere im Unternehmen beschäftigte Personen werden benannt, geschult und mit den Aufgaben der internen Meldestelle betraut.
- Ein externer Dienstleister wird mit den Aufgaben der internen Meldestelle betraut.
2.) Information der Beschäftigten
Das Unternehmen ist nach § 7 Abs. 3 HinSchG verpflichtet, den Beschäftigten klare und leicht zugängliche Informationen über die Nutzung des internen Meldeverfahrens zur Verfügung zu stellen und „Anreize“ dafür zu schaffen, dass sich hinweisgebende Personen an die interne Meldestelle wenden.
Es ist davon auszugehen, dass den Beschäftigten zu dem Zeitpunkt, zu dem die Meldestelle betriebsbereit installiert ist, ein „Informationspapier“ zur Verfügung zu stellen ist, welches insbesondere Informationen zu folgenden Punkten enthält:
- Zielsetzung und Inhalt des Hinweisgeberschutzgesetzes
- Art der im Unternehmen eingerichteten Meldestelle (beschäftigte Personen oder Dienstleister)
- Kontaktwege und Kontaktdaten der eingerichteten Meldestelle
- Schutz(-vorschriften) zugunsten der hinweisgebenden Personen (Vertraulichkeit, Ausschluss von Repressalien)
Es gibt keine Formvorschriften oder Regelungen dazu, in welcher Art diese Information der Beschäftigten zu erfolgen hat, so dass ein Weg gewählt werden sollte, auf dem das Unternehmen auch sonst mit den Beschäftigten kommuniziert, so kann eine Rundmail ebenso erfolgen wie ein Begleitschreiben zu den monatlichen Lohnabrechnungen.
IV. Fristen für bestehende Handlungsverpflichtungen
Das Hinweisgeberschutzgesetz definiert anhand der Beschäftigtenzahl, welche Unternehmen innerhalb welcher Fristen ein Hinweisgeberschutzsystem einzuführen haben (Installation und Betreiben einer funktionsfähigen internen Meldestelle):
- Arbeitgeber mit 50 bis 249 Beschäftigten müssen bis zum 17.12.2023 zwingend eine interne Meldestelle für Hinweisgebende eingerichtet haben und betreiben.
- Arbeitgeber mit mindestens 250 Beschäftigten müssen schon ab Inkrafttreten des Gesetzes ihre internen Meldekanäle eingerichtet haben und betreiben (also einen Monat nach Gesetzesverkündung).
- Arbeitgeber im Finanzdienstleistungsbereich müssen ebenfalls schon ab Inkrafttreten des Gesetzes ihre internen Meldekanäle eingerichtet haben und betreiben.
V. Gesetzlich geregelte Arten von Meldestellen
Das Gesetz regelt neben der Einrichtung interner Meldestellen auch eine solche von externen Meldestellen.
1.) Interne Meldestelle:
Die interne Meldestelle hat die Aufgabe, die unterschiedlichen Meldekanäle zu betreiben, das gesetzlich vorgesehene Verfahren bei Eingang interner Meldungen durchzuführen sowie angemessene Folgemaßnahmen zu ergreifen.
Im Hinblick auf die Einrichtung der internen Meldestelle und deren Ausgestaltung ist Folgendes zu beachten:
- Die interne Meldestelle muss mindestens den Beschäftigten und Leiharbeitnehmern im Unternehmen offenstehen. Darüber hinaus kann sie auch solchen Personen zugänglich gemacht werden, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem Unternehmen in Kontakt stehen (z.B. Organmitglieder, Aktionäre, Bewerber, Selbständige oder ehemalige Arbeitnehmer).
- Für die Betreuung des internen Meldekanals kann das Unternehmen einen eigenen Beschäftigten, eine aus mehreren Beschäftigten bestehende Arbeitseinheit oder auch einen externen Dritten benennen und mit den Aufgaben betrauen.
- In Konzernstrukturen kann auch nur eine konzernweite zentrale Meldestelle errichtet werden.
- Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen über die notwendige Fachkunde verfügen.
- Die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen sind in ihrer Tätigkeitsausübung unabhängig.
- Die Meldewege sind so auszugestalten, dass die Hinweise mündlich oder auch in Textform erfolgen können. Mündliche Meldungen müssen dabei per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung möglich sein. Auf Wunsch der hinweisgebenden Person ist auch eine persönliche Zusammenkunft für die Entgegennahme der Meldung zu ermöglichen. Ist die hinweisgebende Person einverstanden, kann diese Zusammenkunft aber auch im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen.
- Es besteht für die Unternehmen keine Pflicht, die Abgabe anonymer Meldungen (in besonderer Art und Weise) zu ermöglichen. Sofern es aber („technisch“) möglich ist, anonyme Meldungen abzugeben und solche eingehen, muss die interne Meldestelle anonym eingehende Meldungen ebenso bearbeiten.
- Die Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Personen, der Personen, die Gegenstand der Meldung sind und sonstiger in der Meldung genannter Personen, ist zwingend zu wahren. § 8 HinSchG regelt hierzu, dass die Identität der genannten Personen ausschließlich den Personen bekannt werden darf, die für die Entgegennahme von Meldungen oder für das Ergreifen von Folgemaßnahmen zuständig sind. Ausnahmen von diesem Vertraulichkeitsgebot regelt § 9 HinSchG.
2.) Externe Meldestellen:
Als zweite, gleichwertige Möglichkeit zur Abgabe von Hinweisen wird beim Bundesamt für Justiz eine externe Meldestelle eingerichtet. Den Bundesländern steht es darüber hinaus frei, auch eigene Meldestellen einzurichten.
3.) Kein echtes Wahlrecht bzgl. Nutzung der internen oder externen Meldestelle:
Das Gesetz gibt vor, dass hinweisgebende Personen bevorzugt den internen Meldekanal nutzen sollen, wenn auch intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und keine Repressalien für die hinweisgebenden Personen zu befürchten sind.
Arbeitgeber sind verpflichtet, „Anreize“ dafür zu schaffen, dass hinweisgebende Personen immer als erstes die internen Meldestellen nutzen. Hierzu verpflichtet das Gesetz die Unternehmen, den Beschäftigten klare und leicht zugängliche Informationen über die Nutzung des internen Meldeverfahrens bereitzustellen.